Märchen

Es war einmal . . .
. . . ein Kater (18 Monate) namens Kasimir.

Dieser drang unbemerkt durch Nachbars Schlafzimmerfenster ein. Die gutgelaunte Nachbarin schloss wenig später das Fenster, ohne zu wissen, dass es sich der liebe und gut erzogene Kasimir unterm Bett gemütlich machte. Etwa eine halbe Stunde danach, merkte Kasimir, dass ein kleiner Imbiss durchaus angebracht wäre. Er beschloss, sich vorsichtig zu erheben (sein schwer gefüllter Bauch lässt keine schnelleren Bewegungen zu) und nach etwas Futter Ausschau zu halten.

 

So ging er durchs Wohnzimmer -» nichts, durchs Gästezimmer -» nichts, durchs Bad -» wieder nichts, durch die Küche -» auch hier gab es nichts zu fressen. Nachdem er also alle Räume der Nachbarin inspiziert hatte und nichts passendes fand, beschloss er, gemächlich Richtung Bett zu stolzieren.

 

Im Flur angekommen, kam es aber zu einer epochalen Begegnung:

Da die nichts ahnende Nachbarin nur noch grau sah, hatte sie den Eindruck, hier sei eine riesige Maus im Haus! Voll kreischend und zischend schrie die Nachbarin was sie nur konnte und lief um ihr Leben. Der nun wiederum, durch Panikattacken getrieben, armselige, notleidende, hungernde und mangelleidende Kasimir verlor fast seinen Pelz, als er mit durchdrehenden "Rädern" und "Raketenantrieb" durch den Flur, hinein ins Schlafzimmer flitzte und hier gegen das von der Nachbarin zuvor verschlossene Schlafzimmerfenster stieß.

Die Panik wurde nun immer größer, vor allem bei der Nachbarin, als Kasimir den nagelneuen Fenstervorhang in zwei Teile zerriss. Irgendwie, die Nachbarin weiß es selbst nicht mehr wie, öffnete sie das Fenster, damit Kasimir flüchten konnte und zwei Sekunden später in seinem Revier ankam.

Zuhause angekommen, tat er so, als wenn gar nichts gewesen wäre und forderte seine angemessene Mahlzeit (Hühnchenfrikassee in Aspiksoße), die er natürlich von Frauchen bekam. Schließlich lag ja auch sein letztes Fresserchen mehr als zwei Stunden zurück!

 

Kasimir war etwa beim dritten Bissen, als die Nachbarin, immer noch in hellster Erregung, meine Haustürklingel betätigte und um Einlass postulierte. Sie war in Tränen aufgelöst und uns war sofort klar, dass bei ihr eingebrochen wurde und sie um ihr Leben fürchten musste. Nach zehnminütigem Operngesang mit Sprechvariationen von leise bis völlig aufgelöst wurde uns allmählich bewusst, dass es sich bei dem Einbrecher wohl um Kasimir handeln musste, der inzwischen wiederum aus taktischen Überlegungen ins Freie konvertierte.

Nach einstündigem Martyrium konnten wir die Nachbarin davon überzeugen, dass der Einbrecher keine graue Maus, sondern unser blaugrauer Kater Kasimir war. Endlich wurde die Lage überschaubarer und eindeutig sachlicher. Nach Einigung der weiteren Formalitäten ging unsere liebenswerte, angenehme, gefällige und nette Nachbarin elektrisiert nach Hause.

 

Spät am Abend kam auch Kasimir wieder nach Hause und suchte ohne weiteres Fresserchen seinen gemütlichen Platz in meinem Bett auf. Irgendwann in der Nacht kuschelte er sogar unter die Bettdecke um bei seinen Träumen Schutz zu finden. Am nächsten Morgen war für ihn die Welt wieder in Ordnung und von Reue keine Spur.

Die Nachbarin präsentierte uns aber den Schaden und forderte einen neuen Vorhang. Dies war auch nicht weiter tragisch, da sich die Kosten mit knapp 1000 € in Grenzen hielten.
Die Versicherung war aber der Ansicht, dass ein gewisser Abschlag seitens der panikartigen Reaktionen sein muss. Hätte die Nachbarin angemessen reagiert, wäre vermutlich auch kein Schaden entstanden.

Soweit die Geschichte, die mir Kasimir größtenteils zukommen ließ. Inzwischen frisst er wieder genüsslich sein Hühnchenfrikassee in Aspiksoße . . .                             

 

. . . und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute!